# Nr. 1 – Das Rollermädchen

Er beugt sich noch einmal zu dem Mädchen, nimmt sie in den Arm, küsst sie auf die Wange, dreht sich um und geht. Das Rollermädchen steht vor ihrem Roller. Hält sich an ihrem Helm fest. Sie hat das Gefühl, sie kippt sonst um. Er geht. Er geht – ohne sich noch einmal umzublicken. Und ein Stück ihres Herzens weiß noch nicht, wohin es gehört. Das Rollermädchen setzt sich auf ihre Vespa, tritt sie an und knattert langsam davon. Wie in Trance fährt sie nach Hause. Sie weiß nur eins, er nimmt den Nachtzug nach Zürich. Zurück in seine Heimat, weil das Heimweh ihn fast auffrisst. Er kann nicht länger bleiben.

Den Rest der Geschichte findet ihr seit 1. März in dem Buch „Junger Mann zum Mitreisen gesucht“ von Anne Hertz & Friends.

Strampeln, schwitzen, stöhnen

„Miss Milch – höher, das muss höher! Dehnen, das muss weh tun – sonst bringt es nichts“ schreit mich der Typ im viel zu knappen Dress an. Und ich bin völlig paralysiert von dem Angeschrien werden, dass ich unter Schmerzen versuche mein Bein noch höher zu heben. Es zittert. Es bebt und ich komme mir vor, wie der personifizierte Zitteraal, aber irgendwie scheint dieser Knackpo im extra atmungsaktiven Oberteil in Größe XS neben seinem Trainer-Seminar noch einen Zusatzkurs „Tyrannei im Sportkurs“ besucht zu haben. Und woher weiß der gute Mann eigentlich meinen Namen?

„Miss Milch – konzentrieren sie sich nur auf ihr Bein – sie sind abgelenkt – gegrinst wird nicht!“ – reißt er mich aus meinen Gedanken. Ich blicke wie ein eingeschüchtertes Eichhörnchen und am liebsten wäre ich davon gelaufen, hätte dem guten Mann im viel zu engen Trainingsoutfit gerne gesagt – „Pah, mach den Scheiß doch alleine“, doch ich war mir nicht sicher, ob der mir im Zweifel und nachdem er seinen Zusatzkurs scheinbar mit extra Sternchen abgeschlossen hat, nachläuft, mich am Arm packt und ich noch 10 Liegestützen extra machen darf. Das würde ich in diesem zittrigen Zustand nicht verkraften.

Andere Leute kriegen einen Herzinfarkt wegen zu viel arbeit – ich lass mich hier noch zusätzlich vom Hüpf- und Springkurs-Trainer schikanieren und das sogar freiwillig. Bin ich denn meschugge?

Ich kann´s mir nur so erklären, dass ein Teil unserer Gesellschaft masochistisch in manchen Bereichen veranlagt ist und immer wenn ich kurz davor bin, mein Handtuch zu schnappen und das Bein vom Zittern zu befreien, kriegt mich dieser NON-FETT-Typ doch wieder „Na, Mädels, ihr wollt doch im Sommer knackig aussehen – dann müsst ihr jetzt ran an den Speck!“. Ich beobachte die anderen Kursteilnehmerinnen – nachdem grinsen ja nicht angesagt ist, nicken wir uns mitfühlend zu und wissen – „verdammt, er hat ja so recht!“ und quälen uns weiter.

Und dann kommt endlich nach dem technoverseuchten Sportprogramm die Elton-John-Entspannungsmusik, bei der wir uns auf den Rücken legen sollen, die Augen schließen und das Bein am besten hinter den Kopf legen, damit es ordentilch gedehnt ist. Bei mir scheitert das Vorhaben schon am ausgestreckten Bein – spontan wirft sich der Trainer neben mich auf den Boden, erklärt in seinem Militärton, dass ich mir das genau angucken soll, so ginge das. Mit großen Augen beobachte ich, wie er sein Bein, als wäre es aus Gummi, einfach hinter den Kopf legt, mit den Fußspitzen auf den Boden tippt und dabei weder angestrengt aussieht, noch in Atemnot verfällt. Er grinst sogar noch dabei und kein Speckröllchen zeichnet sich an seinem Bauch ab. „Sie müssen hier schon an ihre Grenzen gehen, sonst bringt das nichts!“ motzt er – scheint so, als hätte er noch nie einen so schlechten Kurs gehabt, wie heute. Ich nicke mit einem etwas gequetschten Lächeln – strenge mich an und weiß genau, dass diese Entspannungsübung auch noch mein letztes Band und den letzten Muskel in meinem Körper dermaßen verausgabt, dass es ein Wunder wäre, wenn ich mich am nächsten Tag noch bewegen kann.

Nachdem er feststellen musste, dass bei mir einfach Hopfen und Malz verloren ist, kümmert er sich um eine Mitturnerin, die ebenfalls vor Ehrfurcht alles versucht, doch scheitert.

Er bedankt sich für unseren Einsatz – beim nächsten Mal hätte er gerne etwas mehr von allem, sonst wird das ja nie was bis zum Sommer. Dann wendet er sich wieder der Musikanlage zu, schmeißt wieder schmissige Technomusik ein und würdigt die gescheiterten Trainings-Ladys keines Blickes mehr – sondern betrachtet seinen fettfreien Körper im Spiegel.

Völlig erschöpft rappel ich mich von meiner Matte hoch, im Schneckentempo. Greife nach meinem Handtuch und der Matte und schleiche völlig erledigt aus dem „Folterraum“. Mir tut jetzt schon alles weh, aber innerlich weiß ich auch – in zwei Tagen stehe ich wieder hier und lass mich vom Militärmän anmachen – der Spruch mit dem Speck, damit kriegt er mich halt dann doch…