# Nr. 19 – Baby, ich bau dir ein Schloss …

aus…. Und plötzlich ist es still um ihn herum. Er schaut sich um, ich denke in dem Moment an Luftschlösser, schau in den Himmel und bin mir sicher – dass gleich sicher was kommt – was Kreatives, doch er überlegt wirklich, wie der Text weitergeht. „Ein Schloss aus Sand“ kann ich da nur einwerfen und blicke weiter in den Himmel, weil die Wolken grade lustige Formationen bauen und ich davon geflasht bin, wie es morgens um 6 Uhr in der Nähe des Fischmarktes ist.

Ich war schon oft hier, nur mit einem Typen, der groß gebaut ist, mir was von Schlössern erzählt und noch dazu seine Bierflasche streichelt eher seltener. Eigentlich bin ich kurz davor zu sagen: „Tschuldigung, ich bin auch noch da!“ Doch der Typ summt das Lied und ich kann nicht anders als zu sagen: „Irgendwie, irgendwo, irgendwann! Und so könnte es laut Lied weiter gehen `Du gibst mir einfach deine Hand´ dann passt das zu dem Liedtext, den du die ganze Zeit summst.“ Der Mann schaut verwirrt.

Er fällt genau in mein Beuteschema: Er hat Vollbart – den Drei-Tage-Bart, der schon drüber hinaus ist und die Kotletten und seine Tattoos, die er mit Hingabe trägt. Ich würde auch mit einem Feuerrad klar kommen und mit ihm durch´s Universum radeln. Aber ich denke in dem Moment einfach, ich reiche ihm die Hand und singe „die Zeit ist reif für ein bisschen Zärtlichkeit – irgendwo, irgendwie, irgendwann.“ Und dann gehen wir in Richtung Övelgönne um morgens um sechs mit den Händen eine Sandburg zu bauen – so sieht der Typ mit seinen viel zu engen Hosen und den Wildlederschuhen eigentlich gar nicht aus… Er haut mich trotzdem irgendwo, irgendwann, irgendwie um.. Danke Nena!

# Nr. 18 – Frühlingsgefühle

Lilly steht auf dem Balkon ihrer Mädchen-WG, begutachtet die Pflanzen, die wegen des späten Frostes den Winter nicht überlebt haben. Sie niest. Auch wenn ihre Balkonpflanzen ins Gras gebissen haben, gibt der restliche Frühling Gas. Ob Eduard Mörike sich damals schon Gedanken über Heuschnupfen gemacht hat? Wohl kaum. Lilly setzt sich auf die neuen Balkonmöbel, nimmt einen Schluck ihres Aperol Spritz und zündet sich eine Zigarette an. Lillys Gedanken schweifen. Sie denkt über den letzten Frühling nach und ihr kommt wieder der Rocker in den Sinn, der ihr damals ziemlich den Kopf verdreht hat. Der Rocker wollte sie so gerne wiedersehen, doch Lilly hat dicht gemacht. Aber er spukt ihr doch immer wieder im Kopf herum. Warum hat sie sich nach der netten Nacht, in der sie in Löffelchenstellung und ohne, dass was zwischen ihnen lief, außer ein bisschen Knutschen nicht mehr bei ihm gemeldet? Keine Ahnung. Die olle Schisserin. Er war toll. Einfach nur toll und hat ihr in seinen SMSen geschrieben und auf die Mailbox gesprochen, dass er sie unbedingt wieder sehen möchte. Doch sie hat abgeblockt. Alles. Sicher hat er mittlerweile eine andere Flamme, wie es bei Rockern eben immer so ist. Sie nimmt noch einen Schluck aus ihrem Glas und atmet tief die Schmetterlinge ein, die der Frühling so mit sich bringt. Sie muss erneut niesen – doch die Schmetterlinge setzen sich in ihrem Bauch fest. Sie kramt nach ihrem Handy – die Nummer des Rockers hat sie direkt und der Aperol Spritz tut seine Wirkung. Sie drückt auf „Anruf“ und keine zwei Sekunden später ist er dran. „Ähm, ja, also, hallo hier ist Lilly“ stammelt sie „ich dachte mir, ja, also äh,…“ er unterbricht sie. „Hey Lilly, schön von Dir zu hören, hast dir ja ziemlich viel Zeit gelassen – mit dem Anruf.“ „Ja, also, ähm, ich hatte viel zu tun und ja, also, ich wollte mal fragen…!“ stammelt sie vor sich hin. Der Rocker beginnt zu lachen „Ja, ich würde mich immer noch freuen, dich wieder zu sehen. Ich hab nach dem gefühlt 100ersten Anruf und der 100ersten SMS aufgegeben – aber ich würde mich sehr freuen, dich zu treffen. Wenn du das grade sagen wolltest?“ knickt er in seiner Euphorie etwas ein. Lilly nickt, stumm. Nimmt einen Schluck, zieht an ihrer Zigarette: „Ja, genau, das wollte ich fragen. Hast du morgen Abend schon was vor?“ Wie aus der Pistole geschossen ertönt ein „Nein – morgen Abend passt super. Um acht, am Hafen, wenn das Wetter schön ist?“ – „Ja, sehr gerne!“ Lilly legt auf. Schüttelt den Kopf und zündet sich noch eine Zigarette an.

# Nr. 17 – Innenhofromantik

Es ist dunkel. Nur das Glimmen einer Zigarette ist zu erkennen. Jemand zieht an ihr, die Zigarette glüht, bäumt sich noch einmal auf, bevor sie ganz ruhig und gleichmäßig in Richtung Boden gleitet. Ein Einmachglas wird sichtbar. Noch einmal flammt die Zigarette auf, als sich die Asche verabschiedet und mit Druck wird ihr langsam ihr Leben im Einmachglas ausgehaucht. Ein letztes Mal winkt ihr Rauch noch ein Lebewohl und zack ist es dunkel. Es raschelt, das Klacken eines Feuerzeugs ist hörbar und im selben Moment wird es hell. Für einen kurzen Moment ist die Küche erleuchtet. Lilly sitzt auf ihrem Küchenboden und zündet sich eine Zigarette an. Vor ihr steht Dosenbier. Sie starrt durch die Balkontüre in die Wohnungen ihrer Nachbarn. Lilly genießt die Stille und die Dunkelheit, die ihre voyeuristischen Blicke versteckt. Sie kommt sich vor wie eine Spannerin, die um vom Alltag runter zu kommen einfach nur da sitzt und ihre Nachbarn bei ihrer Abendbeschäftigung beobachtet. Für Lilly ist das besser als fernsehen und vor allem entspannender. Hier kann sie ihrer Phantasie freien Lauf lassen, Geschichten erfinden – sich vorstellen, wie das Bankkonto ihres Nachbarn immer dicker wird, weil er dafür bezahlt wird, jeglichen Schrott in der Glotze anzugucken. Oder das Pärchen schräg gegenüber, dass das Lebensmotto „mehr als Luft und Liebe braucht man nicht zum Leben“ propagiert. Eigentlich wäre es extrem spannend, was passiert, wenn die Dauerbeschallung durch den Flimmerkasten durch einen Streik des selbigen oder eines Stromausfalls unterbrochen würde. Hätten sie wenigstens zur Abwechslung mal ein bisschen dreckigen Sex, würden Knutschen, nebenbei noch Fummeln und Lilly die Schamesröte ins Gesicht zaubern, doch nichts von alle dem und so frönt Lilly weiter fleißig ihrem Voyeurismus. Wovon ernährt sich das Pärchen, von den Werbespots? Und warum müssen die gefühlt nie aufs Klo? Lilly schmunzelt in sich hinein – wenn man diese Situation mal ganz realistisch betrachtet, recherchieren beide sicher nur, für die Aufnahmeprüfung auf die Journalistenschule. Lilly zieht erneut an ihrer Zigarette. Sie ascht in das Einmachglas, während sie den Rauch ganz gleichmäßig und langsam ausatmet. Sie sitzt einfach nur da, hat keine Lust sich über ihren Tag Gedanken zu machen und freut sich insgeheim, als bei ihrem Lieblingsnachbarn Herrn Lee das Licht angeht. Sie nimmt noch einen Schluck und macht es sich bequem – denn gleich folgt Innenhofromantik Folge 580.

# Nr. 16 – Alle Jahre wieder…

Lilly ist völlig reiz-überflutet. Sie weiß grade noch nicht so wirklich, wohin sie die Masse in diesem riesigen Kaufhaus treiben wird, aber scheinbar geht es den anderen genauso und sie werden in der Masse mitgespült. Eigentlich braucht sie noch ein Geschenk für ihren Opa, hat aber keinen blassen Schimmer, ob er sich über ein Buch freut oder sie doch eher zu den Schnapspralinen tendieren soll. Sie krallt sich an ihrem Becher Kaffee fest. Die Dame mit dem Pelz, der sie vorhin im völlig überfüllten Coffee-Shop ihren Latte übergegossen hat, war dafür, dass sie ziemlich viel BlingBling am Arm hatte, ziemlich entspannt. „Ach, gehen Sie, ich wollte sowieso einen neuen Nerz – Grund genug für meinen Mann, endlich mal die Kreditkarte zu zücken.“ Sie wollte noch nicht mal Lillys Visitenkarte. Was sollte Lilly dem noch hinzufügen? Ihr Zugticket in der Tasche, den Koffer im Bahnhof verstaut und der Zeiger ihrer Uhr wandert extrem direkt auf die Abfahrtzeit. Verdammt – dann kriegt er eben ein paar Pralinen. Die Schaffnerin wedelt schon mit ihrem Abfahrtszeichen in Richtung Zugführer, als Lilly in aller letzter Sekunde in den Zug springt. Mit einem vernichtenden Blick und einem mahnenden Spruch der Schaffnerin zieht, schleift und schleppt sie ihren Koffer durch den völlig überfüllten Zug, in das Großraumabteil, zu ihrem Platz. Der Typ neben ihr, mustert sie mit einem kritischen Blick. Er fragt sie, ob sie sich öfter auf der Toilette ihre Nase pudern müsste, sonst würde er gerne seinen Gangplatz gegen ihren Fensterplatz tauschen. Lilly entwickelt Hassgefühle – eigentlich sonst sehr entspannt, beharrt sie auf ihren Platz. Schlussendlich rennt der Typ gefühlt jede halbe Stunde auf´s Klo!? Egal – angekommen in ihrer alten Heimat, quetscht sie sich aus dem Wagon. Zuhause riecht es nach Zimt, Spekulatius und Glühwein. Lilly kümmert sich um den Baumschmuck. Aus der Küche hört sie lautstarke Diskussionen über das Essen und plötzlich kommt das Christkind. Die Herren der Familie scharren schon mit den Hufen, bis es endlich los geht mit der Bescherung. Wie die Kinder schwirren sie um den Baum – der Nachtisch muss warten. Opa ist glücklich mit den Schnapspralinen, isst alle auf einmal. Lilly bekommt das Bügelbrett, dass sie sich nie gewünscht hat und dann klingelt ihr Handy. Der Rocker ihres Herzens – ob er den neuen Nassrasierer bekommen hat, den er sich nie wünschte?

# Nr. 15 – Sind die echt?

Es ist 8:30 Uhr. Viel zu früh für einen Morgenmuffel wie mich. Und vor allem viel zu früh, um in der U-Bahn mit hektischen Menschen konfrontiert zu werden, die alle böse gucken, als würden sie gleich zum Nahkampf ansetzen. Draußen ist schönstes Winterwetter, die Sonne scheint und normalerweise fahren die Sportverrückten doch sonst auch IMMER mit dem Fahrrad. Warum ausgerechnet heute nicht?
Ich werde das Gefühl nicht los, hier tummelt sich ein Pulk an Typen, die es, auch wenn es nur für einen kurzen Moment ist, ausnutzen, so ungehindert auf Tuchfühlung gehen zu können. Besten Dank auch. Und warum starrt mich diese Frau eigentlich die ganze Zeit an? Sie steht direkt neben mir. Sie starrt mir an Stellen, die sie sicher nichts angehen. Und dann macht sie wieder einen auf verschüchtert und grinst mir direkt ins Gesicht, als ob ich nicht sehen würde, dass sie mich abcheckt. „Sorry, lass das!“ denke ich. Doch ihr Blick verfolgt mich. Ich fahre mir etwas verunsichert durch die Haare, schließe meinen Mantel und verschränke die Arme vor meiner Brust. Mich macht es verdammt sauer, dass meine Unsicherheit sie offenbar auch noch anmacht. Ich komme mir vor wie ein Opfer. Am liebsten würde ich „Guck weg!“ schreien.
Der Blick dieser aufdringlichen Person durchbohrt mein Innerstes. Was will sie? Sie durchfährt ein Ruck. Sie beugt sich nah an mein Ohr. Zu nah. Ich rieche ihr Parfum, einen Tick zu süß. Ich kann mich nicht rühren, stehe da, wie eine Salzsäule und höre sie flüstern: „Sind die echt?“ Reflexartig greife ich zu meiner Oberweite, gehe einen Schritt zurück und remple den Herren hinter mir an. „Bitte?“ – „Sind die echt?“ fragt sie noch mal, lauter, dass alle es mitbekommen. Der Morgenmuffel in mir setzt grade zum Kampf an. „Entschuldigung, ich meine ihre Wimpern, sind die echt?“ schiebt sie nach. Ich nicke irritiert: „Ja, und ich muss die nächste raus.“ Ich greife zu meiner Sonnenbrille auf dem Kopf und setze sie, während ich an der nächsten Haltestelle aus der Bahn stürze, auf. Am liebsten würde ich ihr beim Rausgehen die Zunge raus strecken, doch ich lass es. Falsche Wimpern – morgens um acht, bei der piept´s wohl!

# Nr. 14 – Horch, was kommt von draußen rein…

Ich schrecke hoch, mein Herz rast, mein Puls ist auf 180 und ich brauche erst mal einen Moment um überhaupt zu wissen, wo ich bin. Ich bin völlig panisch, atme, als wäre der Teufel hinter mir her und hab keine Ahnung, was mich eben aus dem Tiefschlaf gerissen hat. Vielleicht ein Albtraum? Ich kann mich nicht erinnern. Ich schüttel den Gedanken weg, greife zur Wasserflasche neben meinem Bett und plötzlich rumst es gewaltig gegen meine Türe. Vor Schreck lass ich die PET-Flasche fallen. „Scheiße, was war das?“ Irgendetwas ist vor meiner Wohnungstüre.

Es atmet schwer und „widerwärtig“. Im Treppenhaus ist es stocken duster – ich hocke wie versteinert in meinem Bett, starre die Türe an und kann beim besten Willen durch die Milchglasscheiben nicht erkennen, wie groß das Etwas da draußen ist. Herzlich Willkommen liebes Gedankenkarussell: Mir wird klar, kein Sicherheitsschloss dieser Welt könnte mich jetzt noch retten. Das ES atmet und ich kann nicht anders, als kurz zu schmunzeln, es erinnert mich ziemlich an Darth Vader und wie großartig wäre es bitte, wenn dieses ES gleich in meiner Wohnung steht und mir ein „Ich bin Dein Vater“ entgegen trällert. Es rumst schon wieder – gefährlich nah an der Scheibe. Wenn ich es mir so recht überlege, ich will gar keinen Promi als Vater und verdammt, wo ist eigentlich mein Handy?

„Ah“ entfährt es mir, als das ES mit irgendwas gegen meine Türe kratzt, verdächtig nah am Türschloss. Etwas vor sich hin brabbelnd startet es einen neuen Angriff und wirft sich mit einem Rumps gegen die Türe. Es schäppert – ich mach die Augen zu, zwicke mir vorsichtshalber doch noch mal in den Arm und beiße vor Schmerz in meine Bettdecke. Es ist kein Traum und ich hab keinen Schimmer, was ich tun soll. Eine Wohnungstüre wird aufgerissen, jemand macht das Licht im Treppenhaus an und vor meiner Türe steht der Umriss einer riesigen Gestalt. Mein Nachbar brüllt „He, was soll das?“ und reißt das ETWAS um. Erleichtert, aber trotzdem noch wie ein atomar verseuchtes Karnickel auf die Türe starrend, höre ich ein „Herr Markwardt, sie?“. Das ES brabbelt etwas Unverständliches. „Kommen sie – das waren heute wohl einige Schnäpse zu viel, was? Ich bring sie runter in ihre Wohnung!“ Mir fällt ein Stein vom Herzen und ich beschließe, Panzerglas wird mein neuer Freund.

# Nr. 13 – Das Herz am rechten Fleck!?

Lilly liegt auf ihrem Sofa und hört immer wieder ein Lied – es ist „Ich und du“ von Philipp Poisel und er singt gerade davon, wie die beiden den Grillen zu hören und sie hat immer noch im Kopf wie sie mit dem Typen vom letzten Wochenende die Nacht zum Tag machte und den Tag auch genießen konnte. Eigentlich haut sie, bevor es hell wird immer ab. Immer. Sie kann es kaum ertragen, wenn ihr jemand gefühlsmäßig zu nahe kommt, es ist beinahe schon wie eine Macke. Der Typ hat versucht sie nach 24 Stunden gemeinsames Rumhängen noch wachzuhalten, in seiner Wohnung waren die beiden. Sie haben gequatscht, als gäbe es keinen Morgen. Doch irgendwann schlief er ein, während er vor seinem DJ-Pult saß und dort für sie Musik auflegte. Er wollte nicht, dass sie geht! Sie hinterlässt ihm nur einen Zettel. Mit ihrem Namen, ohne Nummer und jetzt lässt sie noch mal das Wochenende Revue passieren. Sie würde ihn so gerne wieder sehen. Sie weiß nur, er heißt Micha und sie könnte sich in den Hintern beißen, doch dafür ist es definitiv zu spät. Sie ist selbst schuld. Sie beide hatten noch Brötchen, Marmelade und Aufschnitt an der Tanke gekauft. Doch sie ist gegangen. Ihr Nacken macht ihr zu schaffen. Sie ist immer noch verspannt. Er hatte sie massiert, am Hafen. Seine Hände. Seine Küsse, alles war irgendwie real und vor allem er, er selbst. Micha. Er war niemand mit Altlasten, zumindest nicht auf den ersten Blick. Lilly würde niemals weiter fragen – davor hat sie viel zu viel Angst. Und hat Angst verletzt zu werden. Ihr Handy vibriert. Eine Woche später. Es ist Micha. Sie ist nervös, sie kennt die Nummer nicht. Sie geht ran: „Lilly hallo!?“ es ist Micha.“Lilly, ich würde dich gerne wieder sehen und auch nur die ganze Nacht neben dir liegen, vielleicht dich massieren, aber mehr nicht….mehr, wollte ich nicht fragen….“ Lilly nickt in den Telefonhörer. Sie will ihn, zumindest spüren, sie gibt ihre Adresse frei… Er kommt vorbei. Sie hat Bier kalt gestellt.

# Nr. 12 – Dienstags ist sie nie da…

Mein Name ist Frank, Frank Heuschrecke. Meine Eltern waren nicht gerade die Innovativsten bei der Namensgebung, aber zumindest hab ich jedes Mal einen Lacher auf meiner Seite, wenn Leute meinen Nachnamen hören. Ich hab mich selbst zum GRILLMASTER ernannt, denn ich liebe Bratwürste. Ich grille das ganze Jahr über. Meine Nachbarn sind ziemlich entspannt und auch wenn mich einige für bekloppt halten, ich ziehe das durch, bei Wind und Wetter. An drei Tagen in der Woche wird gegrillt. Dienstags, Donnerstags und Sonntags. Da kann kommen wer will – ich bin fest verabredet, mit mir und meinem Grill. Heute ist Dienstag, also betrete ich die Metzgerei meines Vertrauens, wie immer mit einem nasalen „Moihoiin“. Doch statt der 50-jährigen Chefin, kommt eine junge Schönheit aus dem Hinterzimmer. Auf dem Arm trägt sie eine Schinkenhälfte. Sie ist groß, schlank, rothaarig und hat die schönsten smaragdgrünen Augen, die ich je gesehen habe. Sie lächelt mich an: „Hallo, was kann ich denn für Sie tun?“ – „Ähm, Bestellung, …wo ist denn….?“ stammle ich wie ein Vollidiot!. „Meine Mutter? Die hat jetzt dienstags immer frei und ich springe für sie ein. Wie ist denn ihr Name?“ fragt sie, während sie den Schinken an den Haken hängt. „Heuschrecke“ sie muss denken, ich bin total bekloppt, ich starre sie an, als käme sie vom Mond. „Ach sie sind das – mit dem Dauerabo Grillwürstchen.“ Ich nicke. Sie guckt skeptisch: „Auch bei dem Wetter? Es schüttet doch in Strömen!“ – mit leicht geöffnetem Mund starre ich und nicke gleichzeitig „ähm, ja, überdachter Balkon“. Es fühlt sich an, als hätte ich mein Hirn zuhause vergessen. Sie guckt skeptisch „Ah, ja…dann hole ich mal ihre Bestellung“ und verschwindet kopfschüttelnd in den Hinterraum. Sie kommt zurück. Ich zahle und verabschiede mich irritiert. „Tschüss bis nächsten Dienstag“ ruft sie mir hinterher. Ich stolpere mit meiner Bratwursttüte aus der Metzgerei, blicke mich noch kurz um und beschließe, dass Grill-Traditionen auch gebrochen werden können.

# Nr. 11 – Herz aus Stein?

`Es riecht nach Regen´ – denkt er und schiebt seine zugezogenen Vorhänge zur Seite. Er blinzelt. Seine Augen müssen sich an die Helligkeit gewöhnen. In einem Mördertempo rollen von weitem riesige dunkle Wolken auf ihn zu. In der Ferne hört er leises Grollen und Blitze ziehen über den Horizont. `Endlich´, das sonnige Wetter, die gute Laune der Menschen, all das kann er seit Tagen nicht mehr ertragen. Er, der sich immer geschworen hat, „keine Frau auf dieser Erde ist es wert, ihr auch nur eine Träne nach zu heulen“, sitzt seit Tagen zuhause, ertränkt seinen Kummer im Alkohol und ist bald Premium-Kunde beim Pizza-Service um die Ecke. Der Pizza-Boy stellt wenigstens keine Fragen, wenn er ihm ungeduscht öffnet. Er versorgt ihn gegen Bares mit Zigaretten und Alkohol und verpisst sich schnellstmöglich wieder. Er leidet – wie ein geprügelter Hund. Hört „Hurt“ von den Nine Inch Nails in Dauerschleife. Sein Bett verlässt er nur, um auf´s Klo zu gehen, seinem „Dealer“ die Türe zu öffnen oder den Aschenbecher zu leeren. Ein Blitz zuckt – er freut sich innerlich, endlich hat dieses gute Laune-Wetter ein Ende. Er wusste bis vor kurzem nicht, wie sehr er sie liebte, bis sie ihn einfach stehen ließ, die wundervollste Frau der Welt. Ihn, den harten Typen, mit dem Herz aus Stein. Er hat sich mit seiner Überzeugung lange genug selbst verarscht. Jetzt steht er an seinem Fenster – draußen schiebt der aufkommende Wind Blätter über den Boden und wirbelt eine zerfledderte Zeitung durch die Luft. Er liebt diesen Moment, kurz bevor der Himmel sich über die Welt auskotzt. Unrasiert und seit Tagen ungeduscht tritt er auf seinen Balkon, reckt seine Faust in die Luft: Der Himmel öffnet seine Schleusen. Seine salzigen Tränen vermischen sich mit den Tropfen des Regens, er ist nass bis auf die Haut. Er fühlt sich das erste Mal wieder lebendig und heult mit dem Himmel um die Wette. Er hat sie geliebt und alles verloren – aber nach Regen kommt auch wieder Sonnenschein – so abgedroschen das klingt, der Himmel schließt seine Tore und am Horizont blinzelt die Sonne aus einigen Ecken. Es klingelt an der Türe: NACHSCHUB!

# Nr. 10 – Ja? Nein? JEIN!?

„Hey Baby, wie sieht es aus – Lust auf Rocken?“ hört Lilly ihren besten Freund Tom am anderen Ende der Leitung. „Nee, lieber nicht. Ich bin grade im Entschleunigungsmodus und bleib mit ner Schnulze zuhause?“ – „Wie jetzt, was ist mit der Partyrakete? Komm schon, nur ein Bier!“ Lilly nickt, „ja, sicher“! Sie weiß genau, das wird nicht bei einem Bier bleiben! „Na, wie du meinst – dann eben ein anderes Mal!“ sagt Tom, bevor er auflegt. Lilly ärgert sich,Tom weiß genau, dass er sie so kriegt. Fiese Masche. Ganz fiese Masche. Lilly fällt heute nicht drauf rein – nein, sie versucht sich mit ihrem Film abzulenken. Doch keine Chance, der Werwolf in ihr ist geweckt: „Komm schon Lilly, stell dich nicht so an – nur ganz kurz!“ Lilly schüttelt den Kopf. Prompt meldet sich das Engelchen auf Lillys Schulter zu Wort: „Nein Lilly, hör nicht auf ihn, er ist Böse!“ Das weiß Lilly selbst. Aber leider macht das Böse und Verbotene am meisten Spaß und der Werwolf, mit seiner Hartnäckigkeit gibt einfach nicht nach: „Komm Lilly, jetzt sei keine Spielverderberin, rein in die Dancing-Shoes und los – wetten du verpasst was?“ Lilly nickt, geht „zufällig“ am Spiegel vorbei, prüft ihr Aussehen und redet mit ihrem Spiegelbild: „Tom ist dabei, was soll mir da schon passieren und nur auf ein, zwei Biere – versprochen!“. Der Werwolf feiert und schubst das Engelchen von Lillys Schulter. Mit stolzgeschwellter Brust beobachtet er, wie Lilly im Kleiderschrank nach einer Klamotte kramt. Als sie abmarschbereit im Flur steht und einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel wirft – strahlt der Werwolf mit Lilly um die Wette und winkt dem Engelchen arrogant zu. Lillys Handy klingelt – „Wolves in Wolves Clothing“ von NOFX: „Tom, okay, in zehn Minuten in der Schanze!“ – „Lilly, warum wusste ich, dass du dich doch noch aufraffst?“ lacht er. „Weil du ein fieser Typ bist und jedes Mal meinen Werwolf kitzelst. Wehe, du lässt mich später mit ihm alleine!“ Tom lacht: „Niemals, aber merk dir eins – ein Partyraketenherz lässt sich nicht stoppen, auch wenn du die Schuld auf deinen Werwolf schiebst!“ Lilly schwingt sich auf ihr Fahrrad und fragt sich, ob TOM in Wahrheit vielleicht der Werwolf im Schafspelz ist…