# Nr. 15 – Sind die echt?

Es ist 8:30 Uhr. Viel zu früh für einen Morgenmuffel wie mich. Und vor allem viel zu früh, um in der U-Bahn mit hektischen Menschen konfrontiert zu werden, die alle böse gucken, als würden sie gleich zum Nahkampf ansetzen. Draußen ist schönstes Winterwetter, die Sonne scheint und normalerweise fahren die Sportverrückten doch sonst auch IMMER mit dem Fahrrad. Warum ausgerechnet heute nicht?
Ich werde das Gefühl nicht los, hier tummelt sich ein Pulk an Typen, die es, auch wenn es nur für einen kurzen Moment ist, ausnutzen, so ungehindert auf Tuchfühlung gehen zu können. Besten Dank auch. Und warum starrt mich diese Frau eigentlich die ganze Zeit an? Sie steht direkt neben mir. Sie starrt mir an Stellen, die sie sicher nichts angehen. Und dann macht sie wieder einen auf verschüchtert und grinst mir direkt ins Gesicht, als ob ich nicht sehen würde, dass sie mich abcheckt. „Sorry, lass das!“ denke ich. Doch ihr Blick verfolgt mich. Ich fahre mir etwas verunsichert durch die Haare, schließe meinen Mantel und verschränke die Arme vor meiner Brust. Mich macht es verdammt sauer, dass meine Unsicherheit sie offenbar auch noch anmacht. Ich komme mir vor wie ein Opfer. Am liebsten würde ich „Guck weg!“ schreien.
Der Blick dieser aufdringlichen Person durchbohrt mein Innerstes. Was will sie? Sie durchfährt ein Ruck. Sie beugt sich nah an mein Ohr. Zu nah. Ich rieche ihr Parfum, einen Tick zu süß. Ich kann mich nicht rühren, stehe da, wie eine Salzsäule und höre sie flüstern: „Sind die echt?“ Reflexartig greife ich zu meiner Oberweite, gehe einen Schritt zurück und remple den Herren hinter mir an. „Bitte?“ – „Sind die echt?“ fragt sie noch mal, lauter, dass alle es mitbekommen. Der Morgenmuffel in mir setzt grade zum Kampf an. „Entschuldigung, ich meine ihre Wimpern, sind die echt?“ schiebt sie nach. Ich nicke irritiert: „Ja, und ich muss die nächste raus.“ Ich greife zu meiner Sonnenbrille auf dem Kopf und setze sie, während ich an der nächsten Haltestelle aus der Bahn stürze, auf. Am liebsten würde ich ihr beim Rausgehen die Zunge raus strecken, doch ich lass es. Falsche Wimpern – morgens um acht, bei der piept´s wohl!