# Nr. 9 – Punkrock für´s Herz!

“Verdammter Mist!“ fluche ich vor mich hin. Mein Zeigefinger parkt auf dem Klingelknopf. Gleich geht sicher die Türe auf und ein genervter Nachbar brüllt mich an – weil er glaubt, ich mache hier Klingelstreiche! Super! Es ist zwei Uhr, mitten in der Nacht. „Biste raus geflogen?“ höre ich eine weibliche Stimme neben mir. Sie kommt auf mich zu – ich bin verwirrt und antworte stockend „Nee, mein Mitbewohner hat meinen Schlüssel und pennt“. Sie quetscht sich an mir vorbei und schließt die Türe auf. Ihre Haare riechen – süßlich. „Bist du neu hier?“ – „Nö, schon was länger, du bist der Typ aus dem Zweiten, oder?“ Ich gehe hinter ihr die Treppe hoch. Im ersten Stock dreht sie sich zu mir um: „Lust auf eine Portion Nudeln und ein Bier?“ – ich überlege kurz, eigentlich hatte ich heute schon genug Bier, aber „Ich komm sowieso nicht rein – wenn´s okay ist?“ – „Klar, sonst hätte ich nicht gefragt!“. Sie schließt die Türe auf. Ihre Wohnung riecht wie sie. Während sie einen Topf mit Wasser auf den Herd stellt, fällt mir auf, wie hübsch sie ist! Warum ist sie mir bisher nie aufgefallen? Mit „Wie heißt du eigentlich?“ reißt sie mich aus meinen Gedanken: „Ali, äh, Ali nennen mich meine Freunde. Eigentlich Gregor, was die Sache nicht besser macht!“. Sie lächelt „Na dann! Setz dich, Ali, magst du ein Bier?“ Ich nicke: „Machst du das öfter, wildfremde Männer mit zunehmen?“. Sie grinst und zwinkert mir zu. „Verbuch das mal unter Nachbarschaftshilfe, okay?“ Ich trommel leise mit meinen Fingern auf den Tisch. Ich bin nervös. Sie kramt in ihrer Tasche nach Zigaretten, zieht ein Päckchen American Spirit hervor, hält sie mir hin „Magst du?“. Ich greife zu, rolle die Zigarette zwischen meinen Fingern und suche verwirrt nach Feuer. „Du bist mir schon aufgefallen!“ sagt sie in die Stille. Verlegen gebe ich ihr Feuer. „Wie heißt du eigentlich?“ stammele ich. Sie geht zum CD-Player, wählt ein Lied aus. „`Suzy is a Headbanger´ von den Ramones! Das ist meine absolute Lieblingsband“ kommentiere ich. Sie lacht – das bezauberndste Lächeln der Welt. Ich lehne mich zurück, denke, das ist meine Frau, ziehe an der Zigarette und danke innerlich meinem Mitbewohner! Ich hab mich verliebt!

# Nr. 8 – Mord

“Oh mein Gott, Lilly, was hast du gemacht?“ schreit sie in das dunkle Treppenhaus. Lilly blickt auf ihre Hände. Stammelt: „Ich hab keine Ahnung, was ist das?“ „Lilly, das ist Blut, wo warst du die letzten Stunden und was hast du gemacht?“ wiederholt sie. Lilly steht vor der Haustüre, sie hat ihre Freundin Ann aus dem Schlaf geklingelt. Lilly schüttelt den Kopf. Sie schaut abwechselnd ihre Freundin an, dann ihre Hände. Sie hat keine Ahnung, sie weiß nur, das, was da klebt, das ist ziemlich penetrant. Lilly versucht es an ihrem Rock abzustreifen, doch es geht nicht. Das, was da klebt ist verkrustet und scheint da schon länger zu sein. Ann schüttelt sie: „Lilly, wo bist du gewesen, du warst die letzten Stunden verschollen, mit wem warst du weg?“ Lilly schüttelt immer noch den Kopf, sieht verzweifelt aus, Panik kriecht in ihr hoch – sie weiß es nicht. Der Mann, mit dem sie sich unterhalten hat, hat ihr die Sterne und den Mond gezeigt – dann weiß sie nichts mehr. Lilly stand plötzlich vor der Haustüre, sie konnte den Schlüssel nicht finden und jetzt steht ihre panische Freundin vor ihr. Ann ist schon vor Stunden nach Hause. Aus der Nachbarwohnung tönt Geklapper. Ann zieht Lilly in die Wohnung. Völlig betröppelt steht Lilly im hell erleuchteten Flur: „Ich geh mir mal die Hände waschen!“ ist das erste, was ihr einfällt. Als sie die Türklinke runter drückt, hinterlässt sie blutige Spuren. Ann kommt ihr hinterher, hakt immer und immer wieder nach, was los ist. Lilly macht den Wasserhahn an und lässt Wasser über ihre Hände laufen. Seife! „Ich bin eben alleine her gekommen. Ich konnte meinen Schlüssel nicht finden!“ – „Und wo ist der Typ von vorhin?“ fragt Ann hysterisch. Lilly zuckt mit den Schultern, stammelt: „Der lag noch im Park, wir müssen eingeschlafen sein.“ Lilly blickt in den Spiegel. Sie sieht die Panik in Anns Gesicht. „Was ist passiert Lilly?“ – „Ich weiß es nicht – nichts! Ich bin einfach gegangen!“ Die Freundin entreißt Lilly die blutverschmierte Tasche. Kippt den Inhalt auf die Bodenfliesen. Es macht „Kloing“ – Lillys Schlüssel. Blutverschmiert! Im Haustürschlüssel steckt Lillys roter Lippenstift! Ann guckt perplex. Hält den Lippenstift an Lillys Hände und beginnt zu lachen. Lilly begreift grade noch nicht, was los ist. Es war der Lippenstift, der Selbstmord in Lillys Tasche beging!

# Nr. 7 – Herr Gulasch – Der Ritt auf dem Szegediner!

„Meine Damen, die Empfehlung der Woche „Szegediner Gulasch“ –ist im Moment mein absoluter Favorit …“ Mit dieser Lobrede fing alles an. Damals, als ich komplett auf Bratwurst und Sauerkraut eingestellt war und meiner Freundin beim bloßen Gedanken an Käsespätzle schon das Wasser im Mund zusammen lief. Gulasch war leider raus – aber beeindruckt, über so viel Eifer, das Gulasch an den Mann zu bringen, war ich dennoch. Damals ahnte ich noch nicht, dass diese erste Begegnung, der Beginn einer großen Liebe sein würde. Da stand ich nun Jahre später, völlig perplex, weil ich Herrn Gulasch Wochen, Monate und gefühlt Jahre nicht mehr gesehen hatte. Es traf mich wie ein Blitz. In der Schlange vor uns standen mindestens 10 Leute und Herr Gulasch katapultierte einen nach dem anderen aus dem Laden. Mein Herz war schon irgendwo zwischen Holzdiele und Pumps verschwunden, ich wollte mich grade umdrehen und gehen, als er mich am Arm festhielt, wie ein Lausbub gewitzt, etwas unsicher grinsend und meinte: „Nehmt schnell den Tisch dahinten, bevor´s jemand sieht!“. ICH LIEBE IHN – DAFÜR. HERRN GULASCH. Während wir uns setzten und Herr Gulasch sich um die Speisekarte kümmerte, muss ich gegrinst haben, wie ein grenzdebiles Eichhörnchen kurz vor dem Knacken der Nuss. Ich konnte einfach nicht fassen, ihn endlich wieder zu sehen – Herrn Gulasch. Wie dieses Geschirrhandtuch, das er in der Gürtelschlaufe trägt, immer lässig hin und her schwang, wenn er lief – das kann wirklich nur Herr Gulasch tragen. Hach, mein Herz hüpfte und wie. Sicherlich dachten unsere Tischnachbarn: „Die Alte hat´se nicht mehr alle!“ – weil wie gesagt, ich Herrn Gulasch anstrahlte wie ein atomar verseuchtes Karnickel, doch als ich beim Lesen des ersten Gerichts auf der Wochenkarte in schallendes Gelächter ausbrach – war ihnen klar – „schnell essen und nix wie weg hier“. Sorry, aber es war ein bisschen wie damals: „Szegediner Gulasch mit hausgemachten Spätzle und Salat 10,80€“ Ich hatte mir fest vorgenommen, das Gulasch zu bestellen, doch als Herr Gulasch vor mir stand, mich mit seinem Lausbubengrinsen anblickte und auf meine Bestellung wartete, brachte ich nur ein „SCHNITZEL“ raus. Schnell essen und sofort wieder gehen – das war an diesem Abend auch mein Motto – sonst hätte ich womöglich Herrn Gulasch und seinem Geschirrhandtuch einen Heiratsantrag gemacht.

# Nr. 6 – Zwei Wodka bitte!

Ich stehe an der Bar, schaue in die Runde und sehe ihn! Den Mann, den ich seit langem vermisst habe. Den Mann, von dem ich immer dachte, den gibt es nur im Fernsehen. Den Mann, der einfach da steht, lässig, wie kein anderer und in die Runde blickt, als wäre ihm scheißegal, was der Rest der Welt von ihm denkt. Womöglich denkt er das auch, keine Ahnung! Ich robbe mich langsam in seine Richtung, denke noch kurz drüber nach, ob es jetzt uncool ist, etwas vermessen, oder ob es einfach völlig wurst ist, was er denkt, wenn ich ihn gleich anspreche. Er guckt mich an, blickt mir in die Augen. Er hat auch echt zwei schöne davon und meine Beine werden ganz weich unter mir. Verdammt, ich bin aber auch echt leicht zu beeindrucken. Er guckt weiter, ich denke noch, „Tschuldigung, das ist mein Ausschnitt“, bemerke im nächsten Moment, dass das eigentlich gar nicht so ist, weil ich heute hochgeschlossen trage und dennoch bin ich völlig verwirrt, weil er mich angafft. Jawohl. Nicht anguckt. Nicht anstarrt, sondern ANGAFFT. Plötzlich hebt er seine Hand, reckt zwei Finger in die Höhe und bestellt „Zwei Wodka bitte, einen für die Lady und einen für mich!“. Im ersten Moment denke ich noch – „sorry, aber ich trinke keinen Wodka, auch wenn alle Welt mir erzählt, dass man davon keinen Schädel bekommt, ist mir völlig wurst“. Doch als der Wodka vor mir steht, mich der Typ mit seinen zwei waffenähnlichen Augen anguckt und irgendwie charmant auf seine Art in den Raum schmettert: „Ich bin übrigens ein cooler Typ“, wird mir klar – scheiße und ich bin grade drauf und dran mich schlichtweg einfach zu verknallen. Nur für den Moment, den Augenblick, aber irgendwie hat er schon was, dieser Typ. Von mir aus könnte er ein Bankräuber sein, auch ein Tagedieb oder sonst was, aber er steht einfach nur da, greift nach seinem Glas, hält es in meine Richtung und wir stoßen an. Ich würde mir gerne dieses Grinsen, das wirken muss, als wäre ich ein atomar verseuchtes Karnickel, aus dem Gesicht zaubern, doch es funktioniert nicht. Der Typ ist cool – scheißen cool und nach ein paar weiteren Wodka, ist die Frage des Abends „Gehen wir zu mir, oder zu dir?“ völlig überflüssig. Er nimmt mich in den Arm und ich stimme innerlich ein „JETZT GEHT`S LOS!“ an. Er kommt ganz nah an mein Ohr und flüstert: „Schätzelein – du bist echt ne coole Frau – danke für den Abend. Wir sehen uns!“ Und lässt mich mit einem letzten Augenzwinkern und Oberchecker-Grinsen einfach stehen …

# Nr. 5 – Messer Mafia!

Der Kellner mit seinem italienischen Charme bringt uns das Besteck. Bestellt sind zwei Pizzen. Wir sitzen da, lassen uns die Sonne auf den Kopf scheinen, sprechen über gar nichts. Vielleicht genießen wir den Moment. Vielleicht fällt uns grade auch nur Schwermütiges oder Bezauberndes ein – nichts, was die Situation beschreiben könnte.

Mir schießt in den Kopf, dass ein Hackbraten auch der Hammer wäre, aber in dem Moment kommt die vegetarische Pizza für mich und für dich die mit extra viel scharfer Wurst – weil du einfach ein harter Typ bist. Wir zücken die Messer und während ich noch von meiner Apfelschorle trinke, beginnst du bereits zu säbeln. Dein Tri- und Bizeps ist leicht angespannt, du scheinst mehr zu drücken, als zu schneiden. Das T-Shirt ist fast schon zu eng und ganz ehrlich – gefühlt ist gleich auch der Tisch durch! Der Kellner kommt vorbei, fragt mit seinem unwiderstehlichen Lächeln, ob alles in Ordnung sei. Deine Schweißperlen auf der Stirn versprechen anderes, doch cool gibst du ein „Klar, lecker“ von dir. Ich stelle mich ebenfalls dem Kampf, versuche kurzzeitig die Schneidetechnik noch zu perfektionieren, doch verzweifel auch an der Konsistenz des Pizzabodens. „Der ist sicher bio“ – werfe ich in den Raum, doch du verziehst keine Miene. Die Schweißperlen rinnen über dein Gesicht und ich merke langsam, ich bin auch kurz davor – bewahre noch Contenance, doch während die anderen Gäste entspannt scheinen, säbeln wir weiter.

Ein Tisch nach dem anderen verlässt das Restaurant – nach einer Stunde ist die Pizza erlegt und der rechte Messer-Oberarm zittert – völlig fertig. Der Kellner kommt und fragt, ob wir gerne noch mal das selbe hätten, wäre ja schon fast Abendessenzeit. Ich ziehe ganz unladylike den Atem in die Nase, blicke ihn eindringlich an und zur Stärkung stellt er uns jeweils einen großen Schnaps hin. Ich komme mir latent verarscht vor, warte nur darauf, dass er einen Flyer des Fitnessstudios seines Kumpels zückt und vernichte den extra großen Schnaps in einem Mördertempo, dass er beeindruckt von weiteren Scherzen auf unsere Kosten absieht. Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass „der Pate“ um die Ecke rauscht, uns was von der Messer-Mafia erzählt und meiner männlichen Begleitung die Absolution erteilt „tapferer Schneider“. Doch stattdessen verlassen wir völlig fertig das Restaurant um auch noch zwei Tage später, wie der einarmige Bandit, mit dem linken Arm Griesbrei zu löffeln.

 

 

# Nr. 4 – Komm – nimm mich!

Der große Zeiger der Uhr wandert auf zwölf. Es ist acht Uhr. Ich habe ein Date. Vier Stockwerke trennen mich von ihr. Ich steige hinab. Nun stehe ich vor ihr, fahre mir lasziv mit meiner rechten Hand durch meinen Lockenberg auf dem Kopf!

Die Türe steht offen. Ich gehe hinein und betrachte sie! Mustere sie! Bin nervös, kritisch, was mich erwarten wird. Ich weiß, jetzt gibt´s kein zurück mehr. Ich sehe und merke, wie ich sie anmache. Es läuft alles. Wie geschmiert. Ich entkleide mich. Langsam. Der kritische Blick meinerseits haftet noch immer an ihr. Will ich wirklich? Jetzt? Ich merke, dass sie heiß wird, ziemlich heiß sogar. Heiß ist immer gut, denke ich noch! Doch trotzdem verunsichert mich diese Situation. Wie in Trance fällt meine Unterwäsche.

Nackt, entblößt stehe ich vor ihr. Scham? Nein, den Gedanken verscheuche ich aus meinem Kopf. Nicht jetzt, nein, das gehört nicht hier her. Ich bin nur noch ein kleines Stück, einen kurzen Moment von ihr entfernt. Ich setze einen Fuß vor den anderen. Erst rechts, links, dann wieder rechts. Langsam schlurfe ich über den Vorleger. Blau ist er. Hebe mein Bein an, steige hinein, zögere kurz – was passiert. Sie ergreift mich, als hätte sie schon stundenlang nur auf mich gewartet. Ihre Hitze und Wollust geht auf meinen Körper über, vereinnahmt mich. Umschließt mich, das Gefühl, dass sie mich jetzt nicht mehr los lässt, überkommt mich. Ich beschließe mit dem Gedankenkarussell aufzuhören, mich zu entspannen, meinen Kopf frei zu haben, locker zu bleiben, entspannt eben. Mich von komischen Gängen meines Hirns zu lösen! Die angeheizte Atmosphäre geht auf mich über, es überkommt mich. Ich gebe mich ihr hin. Lass mich fallen. Winde mich unter ihr. Und plötzlich – ist der Spaß vorbei. Kaltes Wasser klatscht mir ins Gesicht und das Shampoo ist noch nicht raus aus den Haaren. Lebensgeister werden überbewertet und fünf Minuten Duschen für einen Euro ist definitiv unmenschlich. Hektisch dreh ich den Hahn ab, steige aus der Duschwanne und schlurfe wieder zurück in den vierten Stock meiner Studentenbude.

Hamburger Abendblatt – vom 28.07.201

Esther Hell schreibt Romane für die Zigarettenpause

Die Kurzgeschichten aus dem Alltag sehen aus wie Visitenkarten. Mittlerweile liegen sie schon in 200 Hamburger Lokalitäten gratis aus.

Hamburg. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Visitenkarten, diese kleinen Kärtchen, die mittlerweile schon in nahezu 200 Hamburger Lokalitäten gratis ausliegen. Doch wer genauer hinsieht, der entdeckt, dass in winzigen Buchstaben kleine Geschichten auf die Zettelchen gedruckt sind. Kurzgeschichten aus dem Alltag – lang genug für eine Zigarettenpause. Kein Zufall, dass die Kärtchen das Format einer Zigarettenschachtel haben.

Der Freundschaftswerwolf

Seltsam ist es, wenn sich Miss Milch manchmal einfach einen echt entspannten Abend machen will – sitzt mit Tee und frisch geschälten Äpfeln vorm Fernseher und versucht sich auf irgend einen total tollen Heul-Frauen-Schnulzenfilm zu konzentrieren, doch dann piept ihr Handy: Miss Milch, lange nicht gesehen, hast du Lust noch vorbei zu kommen, heute spielt hier eine total süße Band aus Köln!

In mir meldet sich der Werwolf zu Wort: Miss Milch, die wolltest du doch sehen, diese süßen Kölner Jungs, die noch dazu das Herz am rechten Fleck haben. Miss Milch, jetzt scheu dich nicht so, nix wie hin da…..

Das Engelchen in mir schreit: NEIN – DU BLEIBST WO DU BIST UND PACKST DEIN ZEICHENZEUG WEITER AUS, DU HAST EINE MISSION!!!

Miss Milch ist mal wieder hin und her gerissen, in dem Moment klingelt ihre Eieruhr und sie eilt in die Küche, weil die Nudeln natürlich mal wieder am Überkochen sind, wie das immer so ist.

Miss Milch überlegt noch etwas, während sie sich einen Berg Nudeln auf den Teller schaufelt, kommt dann zum Schluss, dass sie nur einmal jung ist und springt in ihre Dancing-Shoes, checkt noch fix den Busfahrplan und sprintet zur Haltestelle. Außer Atem erreicht sie den Bus – muss noch einmal umsteigen, um zur Reeperbahn zu kommen und trifft auf 7 holländische Fußballspieler, die sie direkt in ein Gespräch verwickeln.

Miss Milch im Stechschritt – verpasst schon den Anfang des Konzerts, die Jungs scheinen eigentlich einen netten Eindruck zu machen, aber Miss Milch hat nun mal eine ganz andere Mission an diesem ABEND!!! Freundschaftspflege gepaart mit einem netten Konzert und sonst nichts weiter.

Die Mailadresse des Sportlers wandert in Miss Milchs Tasche, dann muss sie sich sputen und kommt direkt zur letzten halben Stunde beim Konzert an. Die Jungs sind niedlich – richtig süß, doch das Publikum ist geschätzt 10 Jahre jünger als Miss Milch und sie fühlt sich ein bisschen verloren, während ihre Freundin irgendwo rumwuselt.

Nach dem Konzert quatschen wir noch kurz mit den Jungs – süß sind die, echt wahr… dann wird es Zeit für uns, endlich zu gehen. Wir sitzen in einer Kneipe, meine Freundin hat den Blick, jedem männlichen Gast zu suggerieren, nein, wir beide wollen reden und niemanden kennen lernen. Innerlich schmunzel ich etwas – weil es wirklich an der Zeit ist, dass wir hier einfach quatschen, quatschen und quatschen. Wir wechseln die Location – sitzen in meinem Lieblings-Rocker-Laden und ich überlege noch fix, ob ich meinen besten Freund antexten soll. Doch er scheint schon zu schlafen, außerdem hat er ohnehin einen komischen Film gefahren und jetzt – jetzt sitzen wir da. Der Barmann macht uns klar, dass das die letzte Runde ist. Der Zeiger der Uhr wandert von 3 Uhr auf 6 Uhr und ich hab keinen Schimmer, wo die Zeit geblieben ist. Der Typ neben uns versucht es auf die ganz harte Nummer: „Mein Freund, der ist so alleine – ich hab leider nen Ring am Finger, deshalb konnten wir bisher nicht bei den Mädels landen, habt ihr nicht….“

Wir lächeln beide, schütteln den Kopf, wir wären mit uns beschäftigt und müssten reden. Auch seinen zweiten Versuch schütteln wir ab. Er ist sichtlich enttäuscht.

Um kurz nach sechs beschließe ich, verdammt, draußen wird es hell, ich muss ins Bett, dringend. Wir verlassen den Laden, schnappen uns ein Taxi und fahren nach hause. Endlich – viel zu spät, aber gut so. Der Taxifahrer – total nett, erzählt mir von seinem Abend und ich ihm von meinem.

Ich winke noch fix zum Bäcker an der Ecke hinein, der mich fragt, ob ich mir nicht ein frisches Schokocroissant mit hoch nehmen möchte. Ich lasse mich breit schlagen, falle ins Bett und bin zufrieden, auch wenn der Samstag dafür im ARSCH IST, es war ein verdammt gelungener Freundschaftsabend. Danke Freundschaftswerwolf, aber beim nächsten Mal könnte das auch früher enden, okay???

# Nr. 3 – Mister Cowboy

Sie tanzt in einem Club, inmitten von hübsch zurecht gemachten Mädchen und stylishen Jungs. Sie selbst trägt ihr Samstag-Nachmittag-Kaffeetrink-Outfit – mit Fassung. Ihre Jeans, die Turnschuhe und das olle Shirt. Auf den Spontan-Ausflug in einen Club war sie nicht vorbereitet, aber was sind schon Äußerlichkeiten, denkt sie, als sie ein Blick trifft. Ein zweiter Blick. Und ein dritter. Nein, er starrt sie an, der Typ, der sich langsam und unbemerkt in ihre Richtung getanzt hat. Sie schließt die Augen, sicher holt er gleich sein Lasso raus, zielt in ihre Richtung und fängt sie ein – mit dem Vorhaben, sie abzuschleppen. Denkt sie noch – doch nichts, nichts passiert. Sie öffnet die Augen und dieser Möchtegern-Cowboy steht wie angewurzelt vor ihr und starrt sie an.

„Hey, ich wollte dir nur sagen, ich beiße niemanden, der mich anspricht, das geht schon in Ordnung!“ hört sie sich selbst zu ihm sagen und ist wieder einmal von ihrer Spontaneität überrumpelt. Völlig perplex lässt der Cowboy Lilly einfach stehen und geht erst mal ein Bier holen. Lilly schmunzelt in sich hinein, tanzt weiter. Ob er noch mal wieder kommt oder sucht er jetzt völlig eingeschüchtert lieber das Weite? Sie hat es satt – verpasste Chancen kennt sie zur Genüge und nimmt ihr Schicksal gerne selbst in die Hand. Er kommt zurück, reicht ihr ein Bier und Lilly hält es vor ihrem Herzen.

Sie sitzen stundenlang über den Dächern der Stadt, reden, rauchen und alles um sie herum scheint einfach weiter zu rennen, irgendeinem Ziel hinterher, nur die beiden sitzen da, schauen sich an und gehen als die Sonne aufgeht, Schnitzel essen.
„Ich bin der Cowboy in der freien Wildbahn – lass mich nicht gerne mit dem Lasso einfangen“ hört Lilly ihn sagen, während er sich ein weiteres Stück Schnitzel in den Mund schiebt. Und Lilly schießt das Lied „Ich will nen Cowboy als Mann“ durch den Kopf. Sie grinst – kramt in ihrem Portemonnaie nach ihrem Geld, legt es auf den Tisch und verabschiedet sich. „Ich glaube, ich bin in meinem Leben schon zu vielen Cowboys begegnet – schade eigentlich – aber ich weiß, dass ich keine Kraft mehr habe, noch einem nachzurennen, nur weil er mit seinem Lasso immer wieder nach der großen Beute sucht!“ Dem Cowboy bleibt beinahe sein Stück Schnitzel im Hals stecken – verwirrt bleibt er zurück. Er ruft nach der Bedienung, zahlt die Rechnung und geht enttäuscht, in den Sonnenaufgang

# Nr. 2 – Rocker und romantische Gefühle

„Du bist cool und Du wirst, egal, was Du machst, immer cool sein. Verdammt cool sogar!“ höre ich ihn sagen und schaue ihn von der Seite an, atme tief durch und nehme einen Schluck aus meiner Bierflasche. Der Schmetterling, der sich gerade verflogen hat, den fange ich mit dem Schluck Bier wieder ein und besänftige ihn ein bisschen.

Wir sitzen am Hafen, blicken auf die Schiffe – während hinter uns die Sonne untergeht. Er nimmt meine Hand, schaut weiter auf das Wasser: „Lilly, verdammt, das hier grade ähnelt einem fiesen Kitsch-Film, der ist viel zu romantisch, für so nen knorken Typen wie mich, aber irgendwie fühlt es sich großartig an!“ Verlegen rücke ich meinen Pferdeschwanz zurecht. Irgendwie scheint uns die Coolness abhanden gekommen zu sein – früher hab ich in solchen Momenten immer gedacht „Dat ist 1A zu viel Gefühlsduselei, lass mich mit dem Gedöns in Ruhe, mit der Masche kriegst du mich nicht rum!“ und hätte ihn einfach stehen lassen.Die Zeit rast an uns vorbei, mir ist völlig wurst, ob der beerenrote Lippenstift noch sitzt oder die Frisur liegt, ich weiß eins: Ich bin mitten in diesem Gefühlsdilemma und verdammt noch mal, das fühlt sich gut an.

Jeder Fernsehzuschauer, der auch nur ein bisschen Rock`n´Roll im Herzen trägt, wäre beim Anblick des tätowierten Rockers und dem Rockabilly-Mädchen hängen geblieben, doch statt wie erwartet, einen coolen, abgeklärten Liebesfilm geliefert zu bekommen, hätte er spätestens nach zwei Sequenzen, aufgrund des hohen Kitsch-Potentials umgeschaltet. Wir bleiben sitzen, schauen auf die Elbe, verbannen die Coolness aus dem Moment und lassen uns überraschen – mal sehen, ob der Drehbuchschreiber für unsere Folge ein Happy End vorgesehen hat.